China ist immer wieder für eine Überraschung gut und so sorgte im vorigen Jahr die Meldung, dass Comac als Hersteller und Entwickler der C919 Airbus und Boeing Konkurrenz machen wolle.
Comac C919: Das war passiert
Im Mai 2017 hob die C919 das erste Mal ab und es gab keine Probleme! Das Flugzeug aus China ist das erste Passagierflugzeug, welches dort sowohl entwickelt als auch gebaut wurde und nun das erste Mal über den Wolken schwebte. Comac bezeichnete den Flieger selbst als neuen Stolz der Nation und ließ die Testpiloten wie Helden feiern. Der Flug dauerte eine Stunde und 19 Minuten und fand am Rand von Shanghai statt.
Bemerkenswert war, dass der Erstflug nicht etwas hinter verschlossenen Türen bzw. unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, wie es gerade in technischen Dingen in China gern üblich ist. Vielmehr zeigt das chinesische Staatsfernsehen Livebilder, die direkt aus dem Cockpit des Fliegers stammten. Außerdem gab es Bilder aus dem Flugzeug zu sehen sowie vom Fahrwerk – hier schien es, als stünde von vornherein fest, dass alles klargehen würde. Das Vertrauen des Herstellers in die C919 ist groß und auch der Stolz auf die eigene Entwicklung: Was sollte da schon schiefgehen? Boeing und Airbus sind diesen Weg noch nicht gegangen und haben bisher immer auf die ersten Flugbilder aus dem Cockpit heraus verzichtet.
China zeigte aber auch schon Bilder aus startenden Raketen und setzte damit ein Zeichen: Die Menschen sollen besser einbezogen werden, was dem Nationalstolz durchaus zuträglich sein dürfte. Aktuelle Videos von der Ariane aus Europa hingegen gibt es nicht.
Video: Comac C919: China stellt erstes großes Passagierflugzeug vor
Hohe Nachfrage, passendes Flugzeug
International gesehen waren es bislang Boeing und Airbus, die für große Flugzeuge sorgten und damit Erfolg hatten. Das könnte sich mit dem Flieger von Comac nun ändern, denn er gilt als das Gegenstück zu den Flugzeugriesen A320 (Airbus) und B737 (Boeing). Die C919 verfügt über zwei Triebwerke und bietet 158 Passagieren Platz. Außerdem soll sie bis zu 4000 Kilometer Reichweite haben. Die Nachfrage in China nach derartigen Flugzeugen wächst rasant und nun ist Comac in der Lage, dieser Nachfrage gerecht zu werden. Langfristig gesehen gilt der chinesische Flugzeugmarkt als noch größer und bedeutsamer als der der USA!
Verzögerungen und Fremdbeteiligungen
Doch obwohl scheinbar alles im Lot ist, die Industrie und Wissenschaft gleichermaßen bedient wurde und das Interesse der Öffentlichkeit an dem neuen Flugzeug befriedigt ist, muss dennoch ein negativer Aspekt genannt werden: Bisher gab es zahlreiche Verzögerungen bei der Entwicklung und Konstruktion des Flugzeugs.
Dieses sollte schon in 2014 fertiggestellt sein und zum Erstflug starten. Außerdem: Auch wenn die Nachfrage nach einem im Land entwickelten und produzierten Großflugzeug riesig ist und die C919 scheinbar alles bedient, so muss doch erwähnt werden, dass viele Schlüsselbauteile auf westlicher Technik basieren und keine China-interne Entwicklung darstellen:
- Die Triebwerke stammen von CFM, einem amerikanisch-französischen Hersteller. Sie sparen besonders viel Kerosin und ermöglichen Comac damit, die besondere Reichweite für das Flugzeug zu erreichen. Diese Triebwerke finden sich auch in der Boeing 737Max und im A320Neo von Airbus. Zukünftig will China aber auch in diesem Punkt selbst agieren und eigene Triebwerke produzieren.
- Auch Deutschland ist an der Produktion beteiligt und stellte das Fahrwerk für die C919. Dieses kommt von der Liebherr-Gruppe aus der Schweiz, wurde wiederum im Allgäu und hier in Lindenberg produziert. Liebherr zeichnet außerdem für das Kabinenluftsystem verantwortlich.
- Essenzielle Komponenten für das Cockpit wurden von Herstellern aus den USA gefertigt.
- Die Steuerung ahmt die des Airbus nach und wurde als Sidestick verbaut. Boeing hat hier nichts dazu beigetragen, das Konzept des Steuerknüppels fand bei Comac keine Unterstützung.
Branchenkenner sehen in den Verzögerungen der Vergangenheit ein generelles Problem: Flugzeuge zu bauen ist kein Kinderspiel und der Markteintritt von neuen Herstellern, die auf große Flieger setzen, ist besonders schwer. Zumal es mit dem Erstflug längst nicht getan ist und Chinas neuer Vorzeigeflieger viele verschiedene Flugtests absolvieren muss. Ansonsten gibt es keine Zulassung durch die Aufsichtsbehörden! Bis diese Tests allesamt absolviert wurden, können zwei bis drei Jahre vergehen, daher ist momentan nicht wirklich abschätzbar, wann das Flugzeug endlich regulär abheben wird. Selbst die Serienproduktion muss sich erst bewähren, damit von einem kompletten Erfolg gesprochen werden kann.
Vorteile für Boeing und Airbus
Airbus und Boeing blicken auf keine derart hohe Zahl bei den Bestellungen: Angeblich haben inzwischen 23 Kunden insgesamt 570 Flugzeuge bei Comac geordert. Dennoch können Airbus und Boeing nicht klagen, ihre Auftragsbücher sind bis zum Rand gefüllt, auch wenn es sich nicht generell um Neuaufträge handelt. Außerdem haben sie den Vorteil, dass sie auf ein Servicenetzwerk in der ganzen Welt zugreifen können, das sich Comac erst einmal aufbauen muss. Somit ist davon auszugehen, dass die C919 nicht wirklich eine ernsthafte Bedrohung darstellt, zumindest jetzt noch nicht.
So war es denn auch kein Problem, Größe zu zeigen und zum erfolgreichen Erstflug zu gratulieren. Dieser gilt als bemerkenswerter Schritt, der beispielhaft für die Luftfahrt und ihre Geschichte sein könnte. Und auch wenn die Konkurrenz bislang skeptisch ist, so steht doch zu bedenken, dass Chinas Hersteller Comac den unbedingten Willen zum Erfolg mitbringt. Ob er Boeing und Airbus doch noch einmal gefährlich werden könnte, weiß aber noch niemand.
Die Russen ziehen nach
China ist nicht die einzige Nation, die sich in der Klasse des A320 breitmachen will. Auch die Russen haben ein Auge darauf geworden und ebenfalls ein neues Passagierflugzeug entwickelt. Dieses wird die MC-21 sein, hergestellt von Irkut. Allerdings folgen die Russen nicht nur dem positiven Beispiel Chinas, sondern auch den negativen Verzögerungen. Sie hinken um einige Jahre hinter dem ursprünglichen Plan zurück, was Experten wiederum zu der Aussage verleitet, dass es scheinbar doch nicht so einfach sei, ein voll funktionstüchtiges und zuverlässiges sowie sicheres Flugzeug in dieser Größenordnung zu bauen. Dass die Russen mit ihrem Flugzeug eine ernst zu nehmende Konkurrenz für Airbus und Boeing darstellen könnten, ist derzeit nicht zu erwarten. International gesehen spielen sie damit eine untergeordnete Rolle. Anders liegt die Sache bei Comac und seinem Riesenjet, der dank der bereits erwähnten westlichen Technik in einer anderen Liga als die MC-21 spielt.
Video: Comac C919: Mit diesem Jet will China Airbus und Boeing angreifen
Belastungstest geschafft
Nachdem die C919 von Comac in 2017 den Erstflug erfolgreich absolviert hatte, gab es jüngst eine weitere Erfolgsmeldung: Der „Ultimate Load Test“ wurde am 12. Juli 2018 ebenfalls in Shanghai abgeschlossen, und zwar mit Erfolg! Der Test wurde im Festigkeits-Forschungszentrum der „Aviation Industry Corporation of China“ (kurz AVIC) durchgeführt. Er gilt als eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, überhaupt die Zulassung für das Passagierflugzeug zu bekommen.
Es geht dabei um mögliche Verformungen, dies ich unter Belastung einstellen:
- Die Tragflächen des Flugzeugs nehmen im Betrieb eine Last auf.
- Die erwartete Last, für die die Tragflächen ausgerichtet sind, wird im Test überschritten, und zwar um das 1,5-Fache.
- Diese Überlastung muss für drei Sekunden gehalten werden.
- Die Enden der Tragflächen biegen sich unter der Überlastung nach oben.
Bei Comacs C919 bogen sich die Enden der Flügel um rund drei Meter, was allerdings eine erwartete Verformung darstellte. Somit ist davon auszugehen, dass das Flugzeug die Anforderungen an die Traglasten erfüllen kann und dieser Test als bestanden gilt.
Inzwischen hat die C919 48 der sogenannten statischen Tests hinter sich und muss sich immer noch weiteren Versuchen stellen. Hier ist ein Gegensatz zum russischen Konkurrenten MC-21 zu sehen, denn dieser hat den Strukturbelastungstest in 2017 nicht erfolgreich absolviert. Die Flügelstruktur des Passagierflugzeuges muss danach noch einmal verstärkt werden. Allerdings wirft es nicht unbedingt das beste Licht auf das Flugzeug bzw. auf den Hersteller Irkut, wenn das Flugzeug bereits bei den ersten Tests durch Patzer auffällt.
Die Chinesen gehen nun davon aus, dass sie die Zulassung für ihr Flugzeug bis Ende 2020 in der Tasche haben. Die weiteren Tests werden zeigen, ob dies realistisch ist oder ob auch hier Nachbesserungen nötig werden.
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